Anzeige
HWG Kurier Peine

Als Ilsede noch eine Hütte hatte

Als Ilsede noch eine Hütte hatte

Auf den Spuren der Industriegeschichte

Was für eine lange Zeit: Von 1860 bis 1983 wurde in Ilsede Rohheisen erzeugt. Manch einer erinnert sich noch an die Zeit von damals, als in der Hütte bis zu 1800 Menschen Arbeit fanden. Wer die Zeit jedoch nicht miterlebt hat, kann auf einer Führung auf dem Industriepfad und in einer Ausstellung in der Umformerstation einen Einblick in die alte Industriekultur bekommen. Auf einem 40 Hektar großen Areal finden sich noch zahlreiche Relikte wieder – die bekanntesten sind sicherlich der Kugelwasserturm, die Gebläsehalle und die Umformerstation.Mehrere Jahre Arbeit hat der Förderverein Haus der Geschichte – Ilseder Hütte dafür investiert, um die Industriegeschichte erlebbar zu machen. Und es geht weiter. „Unsere Ausstellung in der Umformerstation soll erweitert werden, wir planen fünf weitere Informationstafeln“, sagt Klaus Henning Großpietsch vom Förderverein, der zusammen mit Manfred Vorberg Führungen anbietet, die bei der wito GmbH gebucht werden können. Großpietsch arbeitete selbst jahrelang als Betriebsleiter und Oberingenieur im Hochofenbetrieb der Ilseder Hütte.ZUR GESCHICHTEBeim Umgraben entdeckte man im 18. Jahrhundert Erzbrocken auf der Schaufel. 1860 wurde begonnen, Erze im Tagebau in bis zu 45 Metern Tiefe abzubauen. Die Roheisenproduktion begann. Was erst mühsam per Hand begann, wurde immer mehr mechanisiert. Erfolgte der Abtransport zunächst mit Pferdewagen, dann wurde eine Schienentrasse gebaut, bis ab 1871 eine Dampflok eingesetzt wurde. Per Seilwinde zog man erst ab Mitte des 20. Jahrhunderts das Erz aus einer Tiefe von bis zu 245 Metern Tiefe. Die Förderleistung pro Arbeiter stieg mit neu eingesetzten Maschinen immer mehr. Es war aber immer noch ein Knochenjob. „Vor allem Arbeiter an der Gicht der Hochöfen mussten beim Befüllen aufpassen, dass sie nicht das lebensgefährliche Gichtgas einatmen“, erklärt Großpietsch.Auch in den ersten Jahrzehnten des letzten Jahrhunderts wurde hart gearbeitet, zwölf Stunden, auch sonnabends. 1921 errichtete man eine Elektrohängebahn, die mit Kübelwagen, die jeweils mit bis zu 3,6 Tonnen gefüllt werden konnten, die Hochöfen abwechselnd mit Erzen, Zuschlagstoffen und Koks befüllte. Sechs Hochöfen wurden im Laufe der Produktionszeit gebaut, von denen am Ende noch drei Bestand hatten. 1983 kam das Aus: Aus wirtschaftlichen Gründen wurde die Roheisenprodutkion eingestellt und nach Salzgitter verlagert. In den 123 Jahren wurden etwa 50 Millionen Tonnen Roheisen produziert.

PeTer - Mai/Juni 2017

Industriepfad

20 Industriepfad-Stationen hat der Förderverein über das gesamte Gelände angelegt, darunter Gebäude, Betriebsstätten, Betriebssituationen und Exponate. Wir stellen einige davon mit ihren offiziellen Stationsnummern vor:

Als Ilsede noch eine Hütte hatte-2

Station 1

„Der ehemalige Werkeingang Tor 5 war genau hier, wo sich das Banner befindet“, weiß Klaus Henning Großpietsch. Er war der wichtigste Zugang.


Als Ilsede noch eine Hütte hatte-3

Station 3

Förderseil-Umlenkscheibe aus dem Emilie-Schacht in Bülten, mit deren Hilfe die mit Erz beladenen Förderkörbe aus der Tiefe gezogen wurden.



Als Ilsede noch eine Hütte hatte-4

Station 4

Im Hintergrund: Schlackenpfannenwagen zum Transport von heißer Schlacke von den Hochöfen zur Schlackenverwertung. Daneben befinden sich „Bären“ aus erkaltetem Roheisen. „Der Roheisenbär neben mir besteht zum Beispiel aus 30 Tonnen Roheisen“, erklärt Großpietsch.

Als Ilsede noch eine Hütte hatte-5

Station 8

Kugelwasserturm: Der Kugelbehälter mit einer Wassermenge von 1200 m3 diente zur Notversorgung bei Energieausfall in der Wasserwirtschaft und reichte für circa 30 Minuten, um die Hochofenarmaturen vor Schaden zu bewahren. Das Gebäude darunter diente der Betriebsleitung. „Es wurde als Café Kröpcke“ bezeichnet, sagt der ehemalige Betriebsleiter.

Als Ilsede noch eine Hütte hatte-6

Station 11

Kokslöschwagen. Er nahm den noch glühenden Koks mit einer Temperatur von 1100°C auf und schob ihn unter den Löschturm. Innerhalb von zwei Minuten wurde er mit großer Wassermenge abgelöscht.


Als Ilsede noch eine Hütte hatte-7

Station 18

Die Gebläsehalle wurde 1909 erbaut und nahm fünf Gebläsemaschinen auf, die Hochofenwind erzeugten. 1964 kamen leistungsstärkere Maschinen zum Einsatz. Zwei von ihnen stehen noch im Original in der Gebläsehalle, in der heute Großveranstaltungen stattfinden.

Umformerstation

Als Ilsede noch eine Hütte hatte-8
Schublade auf – und zum Vorschein kommen Original-Lohntüten. „Diese waren bis circa 1965 in Gebrauch“, weiß Großpietsch. Das Geld wurde in einer großen Kiste von der Landeszentralbank abgeholt und per Hand eingetütet.

Die Umformerstation ist die Station 7. Hier wurde früher die für die Hängebahnen erforderliche Gleichstrom-Spannung erzeugt. Bereits draußen begegnet man der Industriegeschichte. Auf einem großen Mosaikbild an der Hausmauer ist das Gesicht von Gerhard Lucas Meyer zu sehen.

Er trat 1863 in das Unternehmen der Ilseder Hütte ein und unter seiner Geschäftspolitik wurde das Unternehmen zu einem Konzern ausgebaut, der alle Verarbeitungsstufen vom Erz zum Stahl in einem Unternehmen vereinigte.

Als Ilsede noch eine Hütte hatte-9
Umformerstation mit Kugelwasserturm im Hintergrund.

In der Dauerausstellung im Erdgeschoss „Vom Erz zum Stahl“ befinden sich zahlreiche Wandmodule mit einzelnen Themenbereichen und Original-Exponaten, darunter ein Miniaturmodell des Hüttenareals, alte Lohntüten, Stempeluhr und ein Schreibtisch von Gerhard Lucas Meyer. Und wer neugierig ist und mal Original-Koks in den Händen halten möchte: An einem Automaten lässt sich eine Plastikkugel mit diesem Material ziehen.

Als Ilsede noch eine Hütte hatte-10
Modell des gesamten Hochofenwerkes in Ilsede.

Im Untergeschoss der Umformerstation können weitere Exponate besichtigt werden, darunter zehn großformatige Leuchtkästen, die die Arbeitsunterschiede „damals/heute“ darstellen sowie Schmelzschutzkleidung der Arbeiter und Gläsern mit Erzen aus Kanada, Südafrika und Brasilien.

FÜHRUNGEN

Führungen sind ab fünf Personen zu buchen bei der Wirtschafts- und Tourismusfördergesellschaft Landkreis Peine mbH (wito GmbH). Telefon 05172 94929-611 oder direkt beim Förderverein. Die Umformerstation kann auch für Privatfeiern und Events genutzt werden.

Als Ilsede noch eine Hütte hatte-11
Klaus Henning Großpietsch zeigt Materialbeispiele wie Sinter, Pellets und Koks, die im Hochofen für den Prozess benötigt werden.
Als Ilsede noch eine Hütte hatte-12
Alte Stempeluhr zur Anwesenheitserfassung.