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Peiner Wirtschaftsspiegel 1/2017

Interview mit Landrat Franz Einhaus: „Unser Landkreis hat enormes Entwicklungspotenzial“  

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Landrat Franz Einhaus blickt weiterhin optimistisch in die Zukunft.

Integration von Zuwanderern, Aufbau eines Übergangs-managements, frühzeitige Berufsfindung in den Schulen und ein engeres Zusammenspiel sämtlicher Akteure im Bereich Wirtschaft, damit sich die Region nachhaltig entwickeln kann: Der Landkreis Peine steht vor großen Herausforderungen. Doch Landrat Franz Einhaus ist optimistisch, dass das Aufgabenpaket erfolgreich bewältigt werden kann, wie er im Interview mit Redakteurin Melanie Stallmann deutlich machte. Herr Einhaus, in welchem Bereich sehen Sie derzeit die größte Herausforderung für den Landkreis Peine? Eindeutig in der Integration der Zuwanderer in unsere Gesellschaft. Und dazu gehört in erster Linie, dass wir für diejenigen, die hier bleiben dürfen, Voraussetzungen schaffen, damit sie den Eintritt in den hiesigen Arbeitsmarkt finden. Gibt es bereits Erkenntnisse darüber, ob und inwiefern die Zuwanderer mit Bleiberecht für den hiesigen Arbeitsmarkt geeignet sind? Nach unseren Befragungen und Analysen müssen wir feststellen, dass die wenigsten von denen, die zu uns gekommen sind, ohne größere Maßnahmen in den Arbeitsmarkt integriert werden können. Denn es sind nur wenige dabei, die einen akademischen Abschluss oder eine Qualifikation haben, bei der nur die sprachlichen Hürden zu bewältigen sind. Also ist eine ganze Reihe an Grundlagenarbeiten erforderlich. Denn die Betriebe wollen natürlich Qualitätsarbeit liefern und das setzt gewisse Qualifikationen der Beschäftigten voraus. Was ist mit der Grundlagenarbeit gemeint? Zuallererst müssen sprachliche und kulturelle Voraussetzungen geschaffen werden. Diejenigen, die zu uns kommen, müssen sich in unsere Arbeitswelt einfinden und die Werteskala erlernen, die unsere Arbeitswelt bestimmt. Und dann kommt natürlich noch die fachliche Qualifikation hinzu. Denn wer zum Beispiel im Handwerk tätig werden will, muss eine entsprechende Ausbildung absolviert haben. All das zusammen dauert natürlich mehrere Jahre – aber auch bei denen, die hier geboren sind. Aber es gibt doch bereits erste Positiverfahrungen mit Praktikanten und Auszubildenden … Ja, die gibt es. Aber man muss auf diesem Gebiet auch differenzieren. Bevor jemand als Fachkraft qualitativ hochwertige Arbeit leisten kann, muss er zahlreiche Hürden nehmen. Davor liegen natürlich Helfertätigkeiten und Ähnliches und die sind weitaus kurzfristiger möglich. Wobei ein Helfer in der Tischlerei beispielsweise natürlich auch Sprachkenntnisse haben muss, um Sicherheitsvorschriften zu beachten oder zu wissen, was eine Spanplatte ist. Sind die Betriebe im Landkreis Peine denn grundsätzlich bereit, Zuwanderern eine berufliche Chance zu geben? Grundsätzlich ja – sowohl aus dem gesellschaftlichen Engagement heraus als auch aufgrund der betrieblichen Zwänge, die durch die demografischen Entwicklungen entstehen. Aber die kleinen und mittelständischen Betriebe, die den Landkreis Peine prägen, sind natürlich in der Regel nicht in der Lage, den Menschen Sprachunterricht in der Firma zu geben oder ihnen die Werte der Arbeitswelt zu vermitteln. Das muss im Vorfeld vom Staat und der öffentlichen Hand in einer Gesamtleistung organisiert werden.

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Wunsch des Landrates ist, dass Jugendlichen berufliche Entwicklungsmöglichkeiten schon in den Schulen vermittelt werden.

Wie geschieht das?

Wir haben im Landkreis ein Übergangsmanagement installiert, das wir nach und nach weiterentwickeln wollen. Wir wollen beispielsweise Maßnahmen, die es inzwischen ja auch von der Bundesagentur für Arbeit gibt, ausbauen – ebenso die Sprach- und Wertevermittlung im Bereich der gemeinnützigen Arbeit und in Praktika. Ziel dabei ist es, dem Arbeitsmarkt zumindest im Bereich der Helfer und der Zuarbeit kurzfristig Kräfte zur Verfügung zu stellen. Diejenigen, die entsprechende Neigungen und persönliche Voraussetzungen haben, wollen wir dann natürlich weiterqualifizieren, damit sie in das Fachkräftespektrum hineinwachsen.

Wie kann das gelingen?


Ich hoffe, dass wir dabei auch das gesamte Spektrum der Berufsbildenden Schulen nutzen können, in denen wir zahlreiche Handwerksbereiche abgebildet haben. Dort können die Absolventen Grundfertigkeiten in den unterschiedlichsten Branchen erlernen. Vor allem aber wird sichtbar, ob der persönliche Wille gegeben und die handwerklichen Fähigkeiten vorhanden sind. Dann gilt es, die richtigen Potenziale zusammenzubringen. Denn das Thema Fachkräfte wird uns weiterhin beschäftigen. Daher müssen wir auch versuchen, aus der ursprünglichen Bevölkerung heraus Potenziale bei den jungen Leuten und das, was in der Wirtschaft erforderlich ist, besser miteinander zu vereinen.

An was denken Sie dabei konkret?

Es muss gelingen, die Potenziale der Schülerinnen und Schüler schon frühzeitig in der Schule zu erkennen, sodass sie dann rechtzeitig den Einstieg in die richtige Berufsrichtung finden. Bisher gibt es dort noch erhebliche Reibungsverluste. Auch müssen wir bei der ständig steigenden Abiturquote darauf achten, dass nicht jeder Abiturient zwangsläufig eine wissenschaftliche Ausbildung als Ziel anpeilt.

Sondern?

Wünschenswert wäre, dass Abiturienten auch den Weg in die Fachkräftethematik finden. Zumal in vielen Bereichen und Positionen im Handwerk beispielsweise genauso viel Geld verdient werden kann wie in einem akademischen Beruf. Denn bei Abiturquoten von bis zu 50 Prozent pro Jahrgang kann nicht mehr davon ausgegangen werden, dass jeder Abiturient in einer Spitzenposition landet.

Aber wie kann man angehende Abiturienten davon überzeugen, dass sie ihre berufliche Laufbahn beispielsweise im Handwerk starten?

Man wird deutlich auf die Perspektiven in den jeweiligen Berufssparten aufmerksam machen müssen. Und dabei sind auch und vor allem die Betriebe gefragt. Sowohl der Handwerks- als auch der Dienstleistungsbereich haben sich in den vergangenen Jahren enorm weiterentwickelt und müssen anspruchsvolle Positionen und Führungsbereiche besetzen – bei entsprechender Entlohnung. Doch das ist oft den wenigsten bekannt.

Also müssen die Betriebe selbst mehr Aufklärungsarbeit leisten, um Jugendliche für die Berufe zu interessieren?

In jedem Fall. Außerdem müssen wir als Schulträger zusammen mit den Betrieben, der Bundesagentur für Arbeit, der Landesschulbehörde und dem Land dafür sorgen, dass in den Schulen das Spektrum der beruflichen Entwicklung frühzeitig vermittelt wird. Wichtig dabei ist auch das Erkennen von persönlichen Fähigkeiten und Neigungen, damit die Schüler für sich die richtige Berufswahl treffen. Wir müssen einfach nachbessern, um die Fachkräfteproblematik auf Dauer in den Griff zu bekommen und den Wirtschaftsstandort zu stärken und zu sichern.

Apropos: Wir stellt sich der Landkreis Peine derzeit als Wirtschaftsstandort dar?

Erfreulich ist, dass wir eine Arbeitslosenquote haben, die unter dem Landesdurchschnitt liegt. Aber wir müssen gerade angesichts der aktuellen Entwicklungen die Struktur der Arbeitsplätze weiterentwickeln, um die Basis für hoch qualifizierte Arbeitsplätze zu schaffen. Denn wenn wir hochwertige Strukturen haben, dann hat das meistens auch Auswirkungen auf die Steuerkraft. Und mit der Steuerkraft steigt die Leistungsfähigkeit der Gebietskörperschaften, sodass sich die Infrastruktur weiter optimieren lässt. Das wiederum steigert die Attraktivität unseres Standortes. Wir sind also gut beraten, weiter an diesem Thema zu arbeiten. Denn die Steuerkraft ist im Landkreis insgesamt unter dem Landesdurchschnitt. Ich hoffe, dass wir mit der Ansiedlung der Bundesgesellschaft für Endlagerung in Peine auf lange Sicht die Chance bekommen, auch ein Stück weit Forschung und Entwicklung bei uns zu platzieren.

Denken Sie an eine Universität oder Fachhochschule vor Ort?

Nein, man wird in Peine sicherlich keine Fachhochschule platzieren können. Aber mit den benachbarten Hochschulstandorten Kooperationen zu entwickeln, um das eine oder andere Institut oder auch überbetriebliche Ausbildungsstätten hier anzusiedeln, wäre wünschenswert. Denn daraus würde sich eine Attraktivitätssteigerung für unseren Landkreis ergeben, die sicherlich auch andere Unternehmen mit hochwertigen Arbeitsplätzen auf den Landkreis Peine aufmerksam machen würde. Und das würde uns nicht nur als Wirtschaftsstandort sehr guttun. Unser Landkreis hat insgesamt enormes Entwicklungspotenzial.