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Freischießen Magazin 2018

150 Jahre Bürger-Jäger: Tradition in sieben Staffeln

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Peiner Freischiessen 1950 – Bürger-Jäger-Coprs Schießabteilung mit Kleinem König Gustav Kunze.

Vierte Staffel: 1946–1971: „Neuanfang und 100-Jahr-Feier“. Im Mai 1945 kapitulierte Nazi-Deutschland den zweiten Weltkrieg nach mehr als sechs entbehrungsreichen Jahren bedingungslos.

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Und wieder einmal haben nach 1914/1918 viele Bürger-Jäger ihr Leben lassen müssen. Mit Ende des Krieges war das Peiner Freischießen zunächst durch alliierte Kontrollgremien verboten. Peine wurde von den Engländern besetzt; sie bestimmten den Alltag. Erst 1947/48 stabilisierte sich allmählich die Situation und sollte durch die Währungsreform einen Neuanfang bringen. Verständlich der Wunsch der Kriegsheimkehrer nach jahrelangem Soldatenleben, zunächst einmal im Kreis der Familie Ruhe zu finden und sich neu zu orientieren. Nach einiger Zeit der Besinnung und des Wiedereinfügens in die grundlegend veränderten Verhältnisse suchten unsere Mitglieder wieder den Kontakt zueinander. Trotz eines Verbots aller Korporationen traf man sich in lockerer Runde bereits Ende 1948 und sprach über eine Reaktivierung des Peiner Freischießens. Schnell war klar, dass dies nicht ohne Mitsprache der englischen Militäradministration gehen würde. In intensiven Gesprächen mit dem Kreisresidenz-Offizier Colonel (deutsch: vergleichbar Oberst) Hibberd, versuchten unter anderem Hermann Weitling (BJC), Willi Lege (CdB) und August Hartmann (BJC) ihn von der Harmlosigkeit der „Folklore-Veranstaltung“ zu überzeugen. Sie erläuterten ihm, dass es ein „uraltes Fest“ sei, an dem man schlendernd und Lieder singend durch die Stadt zog. Die „Königsschießen“ mit einem Karabiner wurden zunächst so nicht erwähnt.

Das Wunder von Peine geschah im Jahre 1949! Colonel Hibberd erreichte bei seiner vorgesetzten Dienststelle die Genehmigung, das Peiner Freischießen stattfinden zu lassen. Zunächst allerdings musste das Bürger-Jäger- Heim nach seiner in der Kriegszeit anderen Nutzung von der Stadt Peine zurück erworben und instandgesetzt werden. Am 3. Juli 1949 war es dann endlich soweit. Nach zehnjähriger Unterbrechung startete unser Heimatfest, in dessen Verlauf es sich Colonel Hibberd nicht nehmen ließ, aktiv mitzufeiern. Er blieb bis zu seinem Tod 1971 ein treuer Anhänger des Peiner Freischießens.

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Die Majestäten des Jahres 1949 wurden in der Sporthalle der Bodenstedtschule mit einem von der englischen Militäradministration „geduldeten Luftgewehr“ ermittelt. Zunächst waren Waffen jeglicher Art verboten. Das Schießen mittels Pfeil und Bogen oder Armbrust war unter Auflagen erlaubt. Da dieses Schießen mit doch sehr hohem Organisationsaufwand verbunden war, erlaubte Colonel Hibberd das Schießen mit Luftgewehren unter seiner Aufsicht. Erster Bürgerkönig nach dem Krieg war Walter Helbsing von der Schützengilde. Die durch Karl Masanke sen. neu aufgestellte Schießabteilung verhalf dem Bürger-Jäger-Corps zu neuem Leben. Zweiter „Kleiner König“ wurde nach Otto Mohrmann Gustav Kunze. Leider traf die allseits beliebte Marsch- und Tanzkapelle ein Schicksalsschlag. Der letzte Dirigent Ulrich Fritsche, Sohn vom Direktor der Musikschule Max Fritsche, kam aus dem Krieg nicht zurück; die Musikschule schloss. Nach nur kurzer Suche fand das Corps in der Kapelle Haak eine würdige Nachfolge. Mit der Wahl von Hermann Weitling jun. zum Hauptmann – er folgte seinem Vater Hermann Weitling sen. – startete 1952 eine Zeit der Veränderungen und Erneuerungen rund um das Bürger-Jäger-Corps.


Ein Klubzimmer wurde an- und ein Schießkeller eingebaut. Es folgte die Umgestaltung des Vordergebäudes mit Bau einiger Hotelzimmer, sodass das Bürger-Jäger-Heim mit „Neues Hotel am Bahnhof“ mit Fertigstellung 1954 einen weiteren Namen erhielt. Darüber hinaus übernahm Arthur Drobeck die Restauration und Hotel. Das Schießen um das „Grüne Band“ wurde aufgrund einer Initiative des Corps der Bürgersöhne eingeführt. In einem über das Jahr durchzuführenden Schießwettkampf sollte es der Korporation mit der höchsten Ringzahl am Freischießen-Sonntag vom Bürgermeister verliehen werden. Auf dem 1953 neu erbauten Schießstand am Sundern hat Hans Rathe 1957 den besten Schuss abgegeben. Nach ihm gab es eine „Pause“ bis 1962 mit dem neuen Bürgerkönig aus dem Bürger-Jäger-Corps, W. Losensky.

Der bisherige Vormaschierer und Bote Buchmeier gab sein Amt aus Gesundheitsgründen auf. Auf speziellen Wunsch des Hauptmannes Hermann Weitling jun. wurde Karl Schrader gebeten, dieses Amt zu übernehmen. Zunächst nur von der Schützengilde ausgeliehen, weil Henry Runge seinen Posten nicht räumen wollte, übernahm Schrader den Posten endgültig. Seit Bestehen musste aufgrund unruhiger Zeiten in den Jahren 1921 und 1946 das Bürger-Jäger-Corps zweimal auf ein Jubiläumsfest verzichten. Das Collegium beschloss daher, 1963 ein Stiftungsfest zu feiern.

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Peiner Freischiessen 1971 - Ausmarsch des Bürger-Jäger-Corps zum Peiner Freischießen

Eigens dazu erschien im Juli 1963 eine von Wilhelm Lippe verfasste Festschrift, in der Daten zur Geschichte unseres Corps nachzulesen sind. Nach dem plötzlichen Tod 1965 von Karl Blaudzun war das Bürger-Jäger-Corps eines seiner fähigsten Männer beraubt. Aber es kam noch schlimmer. Im Mai 1966 verstarb einen Tag nach seiner Wiederwahl zum Hauptmann Hermann Weitling. Das Jäger-Corps war zunächst schockiert, jedoch nicht gelähmt. Die Wahl fiel auf den äußerst fähigen, selbstständigen Autoelektriker Erwin Macke, der an seiner Seite noch den erfahrenden Adjutanten Fritz Kuckuck wusste. Just zu diesem Jahr gab Friedel Brennig altersbedingt sein Amt als Bürgerschaff er auf.

In einer turbulent zugehenden Bürgerversammlung gelang es nicht, einen Nachfolger aus den eigenen Reihen zu wählen. So wurde erstmalig nach 80 Jahren ein Mitglied des Neuen Bürger-Corps Schaff er. Der nunmehr in die Jahre gekommene Saal musste dringend renoviert werden. Am Ende stand nach einer völligen Umgestaltung mit Einzug einer Zwischendecke, Restaurierung des Balkons und Veränderungen in den Seitentrakten wieder ein einladender Saal zur Verfügung.

Hermann Rademann, ehemaliger Hauptmann des Corps der Bürgersöhne und Kollegiumsmitglied der Schützengilde, übernahm 1969 das Amt des Bürgerschaffers Willi Bente. 1970 schaffte es erstmalig das Bürger-Jäger-Corps, das Grüne Band an seine Fahne heften zu lassen, und weil so schön war, wiederholte sich der Akt im Jubiläumsjahr 1971 – auch oder gerade dank Karl Masanke, der sein Mandat an Waldemar Wickert übergab.

Ja, nun war es so weit, nach dem Stiftungsfest 1963, beging das Bürger-Jäger-Corps 1971 sein 100-jähriges Jubiläum. Medienwirksam wurde die Ausgabe der Festschrift „100 Jahre Bürger-Jäger-Corps“, geschrieben von Werner Szews, präsentiert. Hauptmann Erwin stellte die neue Fahne vor und übergab sie zum Kommers an seine Korporation.

Zum Festakt in den Peiner Festsälen am Vorabend des Kommerses hielt Bürgermeister Richard Langeheine die Festrede, welche mit großem Applaus belohnt wurde. Zitatauszug aus der Rede Langeheine: „Wenn Tradition so aufgefasst wird, dann hat sie ihren tiefen, tiefen Sinn.“ Und weiter: „100 Jahre Bürger-Jäger-Corps. Das sei Anlass, sich Rechenschaft darüber abzulegen, ob Bürgersinn und Verantwortungsbewusstsein wach und lebendig sind.“

Er endete mit einem Appell an die „Verbundenheit mit dem Schicksal dieser Stadt und ihrer friedlichen Entwicklung für eine lange, lange Zeit“. Gunnar Kief Vertreter des Schützenverbandes Niedersachsen, übergab als Erinnerung an das Jubiläum eine Fahnenschleife an Hauptmann Erwin Macke.