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Weihnachtsgrüße aus Stadt und Landkreis Peine

Der Weihnachtsgeist im Kaffeepott

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Fotos: Stephanie Frey/123RF, Angel Luis Simon Martin/123RF 

Es geschah im Norden, als Holstein noch unter dänischer Herrschaft stand. Der Dezember war genauso grau, nebelverhangen und feucht wie der November in jenem Jahr. „Da wird man ja ganz dösig von diesem miesen Wetter“, sagten die Leute. Der dänische König hatte einen Inspektor geschickt, um in dem Küstenstädtchen nach dem Rechten zu sehen. Er war Schleswiger und deshalb auch kein echter Däne. So konnte er Plattdeutsch verstehen und sprechen und wurde von den Leuten nicht als „Speckdäne“ verhöhnt. Auch der evangelische Pastor war neu in der Gemeinde und wollte eine kleine Rundfahrt durch den ihm zugeteilten Kirchenkreis unternehmen. Neue Besen kehren meistens gut, dachte er, und so gut wollte auch der neue Hirte kehren. Schon immer waren die Menschen die harte Arbeit im Kampf mit dem Meer und dem Wetter gewohnt. „Wer nicht deichen will, muss weichen“, heißt es an der Küste, denn sonst holt sich der Blanke Hans immer mehr Land. So war man es auch gewohnt, nach getaner Arbeit gehaltvoll zu essen und dazu einen kräftigen Schluck geistiger Getränke zu nehmen. Das gefiel dem Pastor gar nicht, denn er kannte die Folgen des Alkohols. Schon bei seiner ersten Predigt hatte er gegen den scheußlichen Alkohol von der Kanzel gewettert. Die Gläubigen murrten nicht, schüttelten dem Hirten beim Abschied an der Kirchentür aber nur wortlos die Hand.

Weihnachtsgrüße aus Stadt und Landkreis Peine

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Am Abend saßen der Inspektor und der Pastor im Krug zusammen und redeten über dies und das. „Laat di dat man so’n beten vun binnen warm moken, Herr Paster“, sagte der Wirt nach dem Essen und setzte ihm einen „Möwenschiet“ vor. Das war ein Klarer mit einer Scheibe Salami darüber und einem Schlag Senf obendrauf. Der Pastor lehnte höflich ab und ließ sich stattdessen einen großen Kaffee bringen. Zuerst lachten die anderen, aber beim nächsten Besuch des Pastors im Dorfkrug saßen schon vier Männer nicht beim Schnaps, sondern beim Kaffee zusammen. Begeistert setzte sich der Gottesmann zu den Männern und alle verstanden sich prächtig. Man redete über die christliche Seefahrt, die Fische, Buhnen, die Deiche, das Watt und was es sonst Interessantes gab.

Auch im Nachbardorf versammelten sich die Honoratioren, die Bauern und Fischer beim Kaffee und waren begeistert bei der Sache. Weihnachten stand vor der Tür, als sich der Pastor nach einer Taufe wie gewohnt zu seinen Schäfchen setzte. Er war von seinem Hirtendienst etwas erschöpft und bemerkte deshalb die dicke Sahnehaube auf seinem Kaffee zuerst nicht. Eigentlich mochte er gar keine geschlagene Sahne, trank aber aus Anstand mit, weil alle anderen Gäste ihren Kaffee auch mit dem dicken Schlag Sahne obendrauf genossen. Kaum hatte er den ersten Schluck genommen, sprang er auf und rief: „Oh, ihr Pharisäer! Ihr tut Rum in den Kaffee! Und damit man es nicht bemerkt, ist eine Haube aus Sahne drauf. Das ist das Geheimnis eures Kaffees, ihr elenden Pharisäer!“ Jesus hatte nämlich einige nach außen hin besonders gläubige, aber in Wirklichkeit auf ihren Vorteil bedachte Pharisäer als Heuchler aus dem Tempel getrieben.

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Foto: byrdyak/123RF

Da lachten die Leute und beruhigten den erbosten Geistlichen: „Stimmt, Herr Paster, se könnt ook Arrak anstatt Rum nehmen.“ Der auch anwesende Inspektor meinte: „Ist es nicht einmalig, wie sich das Kaffeearoma unter der Sahnehaube mit dem dänischen Rum aus der Karibik verbindet? Nun setz dich wieder hin, Herr Paster, und trink deinen Kaffee!“ Widerwillig setzte sich der Pastor wieder und murmelte: „Na gut, jetzt ist es auch schon egal, ich habe schon davon getrunken.“ Nach einem weiteren Schluck hellte sich seine Laune auf. „Ihr habt eigentlich recht, das schmeckt gar nicht schlecht.“ Und so war ein noch heute nicht nur in der Weihnachtszeit beliebtes Getränk entstanden.

Text: G. Kristan, Swinemünde