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Sicherheitswochen 2017

Die Helfer brauchen Hilfe

Die Helfer brauchen Hilfe

Fahrerassistenzsysteme sind die Bausteine für das autonome Fahren, finden aber keine große Resonanz bei den Kunden. Der Deutsche Verkehrssicherheitsrat kritisiert: Händler könnten die Systeme nicht gut erklären.

Von Gerd Piper Fahrerassistenzsysteme sind in den Augen der Automobilindustrie ein Segen der elektronischen Revolution, die gerade dabei ist, etliche Lebensbereiche von Grund auf zu verändern. Sie hat aus dem Auto konventionellen Zuschnitts eine hochkomplexe Hightech-Maschine gemacht, die dem Grundsatz folgt, die Sicherheit im Verkehr zu verbessern. Was einmal mit einem Piepsen als Einparkhilfe begann, umfasst inzwischen mehrere Dutzend Systeme, die miteinander vernetzt sind und sich ergänzen. Allerdings leidet der rasante Fortschritt daran, dass die neuen Technologien beim Kunden nicht so recht ankommen. Dabei gibt es keine Alternative. Denn Fahrerassistenzsysteme sind die Bausteine, aus denen sich das autonome Fahren zusammensetzt. Bis es so weit ist, wird es zwar noch einige Zeit dauern, doch die Entwicklung ist unumkehrbar.

Sicherheitswochen 2017


Es ist unumstritten, dass die schnelle Entwicklung und die Komplexität in diesem Bereich herausfordernd sind.

Quirin Sterner, Leiter Entwicklung vorausschauende Sicherheitsfunktionen bei der Audi AG

Neue Systeme werden erst in den oberen Klassen eingebaut

„Die Sicherheit unserer Kunden steht bei Volkswagen an oberster Stelle, daher wird die Serienausstattung unserer Modelle kontinuierlich um weitere Sicherheitsausstattungen ergänzt“, sagt VWSprecher Christian Buhlmann. Und sein Mercedes-Kollege Steffen Schierholz ergänzt: „Tatsächlich erfreuen sich alle unserer angebotenen Assistenzsysteme einer hohen Nachfrage.“ 

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ILLUSTRATION: RND/PATAN

Das klingt gut, doch Zweifel sind erlaubt.  Auch wenn die Hersteller keine offiziellen Angaben machen, scheinen Anspruch und Wirklichkeit gegenwärtig noch weit auseinanderzuliegen: Zwar werden Fahrerassistenzsysteme in Neuwagen abhängig von der Fahrzeugklasse tatsächlich verkauft, doch nach Erkenntnissen des Deutschen Verkehrssicherheitsrates von den Kunden kaum genutzt. Und auf die Frage, wie viel Fahrzeuge prozentual überhaupt zusätzlich mit Sicherheitssystemen aus der Ausstattungsliste bestückt werden, antwortet Quirin Sterner, Leiter Entwicklung vorausschauende Sicherheitsfunktionen bei der Audi AG in Ingolstadt: „Bitte haben Sie Verständnis, dass wir hierzu keine konkreten Zahlen nennen können.“ 


40 Fahrerassistenzsysteme innerhalb eines Fahrzeugs markieren derzeit die Bestmarke im Wettbewerb.

Dennoch wird in den Entwicklungsabteilungen der Premiumhersteller wie Audi, BMW, Mercedes oder Volvo verbissen um die technologische Vorherrschaft bei den Assistenzsystemen gekämpft. „Unser neues Flaggschiff, der Audi A8, setzt mit mehr als 40 Fahrerassistenzsystemen eine neue Bestmarke im Wettbewerb – vom Parkplatz über den Stadtverkehr bis hin zur Autobahn machen sie das Fahren noch komfortabler, souveräner und sicherer“, sagt Sterner. Dass der Fahrer kaum in der Lage sein dürfte, sämtliche Systeme zu bedienen, geschweige denn sie zu verstehen, spielt dabei keine Rolle. Je höher der Einbaugrad an Elektronik, desto größer ist die technologische Kompetenz. Folgerichtig werden neue Systeme zuerst in den oberen Fahrzeugklassen eingebaut und dann im Zuge der Demokratisierung nach und nach an die unteren Segmente durchgereicht – Sicherheit soll schließlich für alle verfügbar sein.

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Sicherheit steht an erster Stelle bei den Systemen – zum Beispiel bei der Messung des Bremswegs. 
FOTO: AUDI AG

Der Kunde bleibt allzu oft sich selbst überlassen

Doch es gibt ein großes Problem: Zwar beteuern alle Hersteller, dass die Verkäufer ihrer jeweiligen Handelspartner intensiv für die neuen Assistenzsysteme geschult werden, doch die Praxis sieht anders aus. Auch hier weiß der Deutsche Verkehrssicherheitsrat, dass Händler die Assistenzsysteme oft nicht erklären können, weil sie teilweise selbst nicht wissen, wie sie funktionieren. Wer früher etwas zu PS-Zahlen, Drehmoment und Reifengrößen sagen konnte, wird nicht im Handumdrehen quasi über Nacht zum Fachmann für Radarsensoren, Kameras und Lasertechnik.

So bleibt es dem Kunden noch allzu oft selbst überlassen, sich vor einer Kaufentscheidung schlauzumachen. Offenbar mit teilweise erheblichen Unterschieden, was die einzelnen Marken betrifft. Während Mercedes-Sprecher Schierholz einräumt, „es ist unumstritten, dass die schnelle Entwicklung und die Komplexität in diesem Bereich herausfordernd sind“, meint Audi- Mann Sterner: „Kunden finden im Konfigurator eine ausführliche Beschreibung sowie bei Bedarf auch weitergehende Informationen.“


Unsere Kunden haben sich bereits vor dem Besuch beim Händler sehr umfassend über die Sicherheitsfeatures informiert.

Olaf Meidt, Volvo-Sprecher

Lediglich Volvo-Fahrer, die seit jeher für Interesse an Sicherheitsthemen bekannt sind, scheinen hier einen Schritt weiter zu sein. Volvo- Sprecher Olaf Meidt: „Wir stellen fest, dass unsere Kunden sich bereits vor dem Besuch beim Händler sehr umfassend über unsere Sicherheitsfeatures erkundigt haben, sei es über unsere Website, Broschüren oder durch Testberichte und Artikel beziehungsweise Sendungen in den verschiedenen Medien. So werden dann beim Händlerbesuch oft nur noch die Handhabung der einzelnen Features im Fahrzeug und die genaue Funktionsweise vertiefend erklärt.“

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Bleibt eine Frage: Welche Assistenzsysteme sind heute denn wirklich sinnvoll? Der Abstandsregler Adaptive Cruise Control mit Notbrems- sowie Stop-Start-Funktion ist nach Ansicht vieler Fachleute das wichtigste Sicherheitssystem nach dem elektronischen Stabilitätsprogramm ESP. Der Computer folgt dem Vordermann, lenkt und bremst ab bis zum Stillstand und fährt auch wieder eigenständig an. Eine wirkliche Hilfe im nervigen Stop-and-go-Verkehr. Außerdem erkennt die Notbremsfunktion Hindernisse und reagiert entsprechend. Auch eine 360-Grad-Kamera ist im Alltag eine wertvolle Hilfe. Vier Kameras generieren für den Fahrer eine Sicht auf das Fahrzeug aus der Vogelperspektive, sodass er beispielsweise beim Einparken jederzeit im Bilde ist, wo sich sein Fahrzeug befindet und wie die Abstände zu möglichen Hindernissen sind. Ein Verkehrszeichenassistent erinnert den Fahrer im Cockpit daran, ob er sich gerade in einer Überholverbotszone befindet und wie hoch das Tempolimit auf dem jeweiligen Streckenabschnitt ist. Ein Head-up-Display gehört nicht zwangsläufig zu den „Musthaves“, erleichtert aber die Arbeit am Steuer, weil alle relevanten Fahrzeuginformationen in die Windschutzscheibe in inzwischen brillanter Qualität eingespiegelt werden. Klassische Einparkhilfen mit akustischer oder optischer Unterstützung, mit denen heute die meisten Neuwagen ausgestattet sind, haben die Zahl der Blechschäden dagegen nicht verringert. Das hat eine Untersuchung der Versicherung HUK-Coburg ergeben, des größten deutschen Autoversicherers.

Bis zum unfallfreien Fahren, dem erklärten Ziel der Automobilindustrie, dürfte es nach dem Stand der Dinge noch ein ziemlich weiter Weg sein. Zwar ist eine neue, bessere Generation an Sensoren in Vorbereitung, doch noch bremsen schlechtes Wetter, fehlende Fahrbahnmarkierungen und nicht zuletzt der Mensch als Unsicherheitsfaktoren die Zukunft ein.

Ruhe bewahren!

Analog ist meistens teurer

Markus Feck 

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Die Digitalisierung ist auch im Bankgeschäft nicht aufzuhalten. Es wir bald selbstverständlich sein, dass sich die Mehrheit der Kunden im digitalen Raum bewegt. Dennoch werden Bankfilialen nie verschwinden und auch die persönliche Ansprache der Kunden bleibt bestehen. Diese Dienstleistungen werden sich Banken und Sparkassen aber bezahlen lassen. Ein Recht, auf ein lebenslang kostenloses Konto besteht nicht.

Kunden, die persönliche Beratung und den analogen Einzahlungs- und Überweisungsverkehr schätzen, werden in Zukunft vor der Herausforderung stehen, eine Bank zu finden, die diesen Service noch bietet und dafür keine allzu hohen Gebühren erhebt. Die Geldinstitute, die das tun, rechnen mit der „Trägheit der Masse“ und kalkulieren bewusst den Abgang eines gewissen Prozentsatzes ihrer Kundschaft ein. In diesem Fall sollten Verbraucher einen Kontowechsel in Betracht ziehen. Grundsätzlich sind Onlinekonten in der Endabrechnung günstiger. Um Missbrauchsrisiken einzudämmen, sollten sich Nutzer von Onlinekonten an folgende Regeln halten: Gesurft werden sollte nur mit einem aktuellen Antivirenschutzprogramm. Außerdem sollte auf mögliche Warnhinweise geachtet werden. Dennoch: Ein Restrisiko bleibt.

Markus Feck ist Fachanwalt für Bank und Kapitalmarktrecht bei der Verbraucherzentrale Nordrhein-Westfalen.

Stimmt das?

Webcam beobachtet ständig

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Für virtuelle Konferenzen oder auch das Telefonat mit der besten Freundin werden gern Webcams genutzt, über die sich die Nutzer sehen können. Schaltet man die Webcam aus, zeichnet sie nichts mehr auf – oder? „Es gibt Schadsoftware, die die Webcams von Notebooks, Smartphones, aber auch Smart-TVs manipulieren und einem Angreifer Zugriff auf die Kamera ermöglichen können“, erklärt Tim Griese vom Bundesamt für Sicherheit in der Informationstechnik. Einige davon seien in der Lage, die LED-Lampe zu deaktivieren, die anzeige, dass die Kamera aktiv sei.

Zahlen, bitte!