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Peiner Wirtschaftsspiegel 2/2018

„Unser Landkreis hat unentdeckte Schätze“

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Henning Heiß sieht Schulen gut gerüstet für die Zukunft. Foto: Landkreis Peine

Interview mit dem stellvertretenden Landrat Henning Heiß:

Der Landkreis Peine hat in den vergangenen Jahren einen enormen Veränderungsprozess hinter sich gebracht: Aus dem einstigen Stahlstandort ist ein moderner Dienstleistungs- und Logistikstandort geworden. Dennoch gibt es auch weiterhin Optimierungspotenzial, wie Erster Kreisrat Henning Heiß im Interview mit Wirtschaftsspiegel-Redakteurin Melanie Stallmann verrät. Und so steht der Landkreis auch in den kommenden Jahren vor großen Herausforderungen.Herr Heiß, welche Veränderungen waren oder sind für Sie die gravierendsten im Landkreis Peine?Klar im Vordergrund steht für mich dabei die kontinuierlich fortschreitende Digitalisierung, von der sowohl die kommunalen als auch die wirtschaftlichen Strukturen betroffen sind. Die Arbeit in den Betrieben wird erheblich erleichtert und sie wird globaler, weil sich jeder im weltweiten Netz tummeln kann.Natürlich ergibt sich daraus einerseits eine größere Konkurrenzsituation, andererseits haben die Firmen damit aber auch die Chance, sich weit über die Ortsgrenzen hinaus mit ihren Produkten und Leistungen zu präsentieren. Ich halte das für eine Riesenchance. Zumal sich die Frage einer Teilnahme heute gar nicht mehr stellt. Insbesondere von der Wirtschaft kann das Thema nur offensiv angegangen werden. Andernfalls geraten die Firmen automatisch ins Hintertreffen.Stichwort Wirtschaft, was hat sich in diesem Bereich im Landkreis getan?Das, was wir mal waren, nämlich ein Industriestandort, ist mehr und mehr in den Hintergrund gerückt. Wir sind – insbesondere durch die großen Logistikansiedlungen – bedeutender Dienstleistungsstandort geworden. Das ist vom Grundsatz her natürlich positiv zu bewerten. Wir müssen aber auch bedenken, dass diese Unternehmen einen enormen Flächenverbrauch haben und dabei Arbeitsplätze nur in einem begrenzten Segment anbieten. Es wäre schön, wenn wir im Kreis Peine auch im Hightechoder Wissenschaftsbereich ein Stück weiter nach vorne kommen würden.Inwiefern?Das, was sich im Kleinen zum Beispiel mit der BGE, die sich hier weiterentwickelt, bereits angedeutet hat, wäre ein echter Sprung. Zumal wir ländlicher Raum sind. Und der ländliche Raum hat gerade, was die Ansiedlung von wissenschaftlichen Instituten anbelangt, immer einen leichten Nachteil gegenüber einem Ballungsraum. Dabei haben wir so viel zu bieten.Was meinen Sie konkret?Der Landkreis Peine hat die ganz hohe Lagegunst zwischen mehreren bedeutenden Städten. Auch die direkte Anbindung an die A2, die für uns zwar auch Fluch, vor allem aber Segen ist. Nicht zu vergessen die Bahn und den Mittellandkanal vor der Haustür.Was meinen Sie, was im Landkreis Peine noch fehlt?Uns fehlt als Sahnehäubchen der Hightechbereich. Ich meine die immer mal wieder geforderte Ansiedlung von Fachabteilungen und Instituten, in denen wir Berufsfelder bekommen, die mehr in wissenschaftlichen und universitären Bereichen zu Hause sind. Das hätte dann auch positive Folgewirkungen.Ist es nicht utopisch, im Landkreis Peine hochwissenschaftliche Institute ansiedeln zu wollen?Ob es utopisch ist, weiß ich nicht. Die Frage ist, was die Alternative ist. Denn derartige Einrichtungen nur in den Ballungszentren anzusiedeln, würde bedeuten, den ländlichen Raum noch mehr abzuhängen.Grundsätzlich können wir mit der Anziehungskraft einer Großstadt zwar nicht mithalten, aber wir haben ein hohes Maß an Lebensqualität zu bieten. Und im Rahmen der fortschreitenden Digitalisierung ist es heute nicht mehr ganz so entscheidend, wo ich meinen Arbeitsplatz habe.Wo sehen Sie Ihren Landkreis in den kommenden 15 Jahren?In seiner Grundkonstellation und zwischen den Ballungszentren liegend bleibt er auch in den kommenden Jahren unverändert. Das, was sich natürlich nicht voraussehen lässt, sind die Veränderungen, die sich aus der fortschreitenden Digitalisierung ergeben. Aber ich glaube, wir sind gut für die Zukunft gerüstet, weil wir zum Beispiel im Bildungsbereich einen bedeutenden Schwerpunkt gesetzt haben.Unsere Schulen stehen ausgesprochen gut da. Zudem sind wir gerade dabei, alle unsere Schulen zu digitalisieren, sprich, digitale Klassenzimmer zu schaffen. Wir streben an, dass Schüler und Lehrkräfte in jedem Klassenzimmer mit Tablet oder Notebook arbeiten können. Das ist eine große Herausforderung und kostet viele Millionen, aber ich halte das für eine ganz entscheidende Sache.Müssen auch Schulen und Wirtschaftsbetriebe noch näher zusammenrücken, um die Ausbildung zielgerichteter zu gestalten?Die bereits bestehenden Kooperationen zwischen Schulen und Wirtschaftsunternehmen müssen verstärkt auf den gymnasialen Bereich ausgedehnt werden. Denn nicht jeder Gymnasiast ist automatisch ein Student. Uns ist daran gelegen, die Menschen, die wir hier ausbilden, auch vor Ort zu halten.

Peiner Wirtschaftsspiegel 2/2018

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Über Sprachkurse und Ähnliches soll die Integration ausländischer Mitbürger verbessert werden. Foto: Ian Allenden/123RF

Aber um die Menschen vor Ort zu halten, muss das gesamte Umfeld stimmen. Hat der Landkreis wirklich alles zu bieten?

Der Landkreis Peine hat hinsichtlich der Wohn- und Lebensqualität viel zu bieten. Aber darauf allein können wir uns natürlich nicht ausruhen. Dort, wo Defizite sind, muss schnellstmöglich gehandelt werden. Da wir derzeit Ruhe in der Diskussion haben, was die Strukturen unseres Landkreises anbelangt, können wir uns jetzt auf einzelne Problemfelder konzentrieren.

Welche sind das?

In erster Linie die Integration, deren Bedeutung wir nicht unterschätzen dürfen. Zwar sind die Zahlen an Menschen, die letztendlich hier bleiben, deutlich zurückgegangen im Vergleich zu den Prognosen aus dem Jahr 2015. Nichtsdestotrotz müssen diese Menschen integriert werden – und zwar sprachlich, in den Arbeitsmarkt und in die Gesellschaft. Und das ist eine große Herausforderung. Wenn wir die nicht meistern, dann tragen wir die Probleme, die sich jetzt hin und wieder schon andeuten, massiv in die Zukunft.

Was meinen Sie konkret?

Wir müssen sehen, dass wir die Menschen in unsere Gesellschaft einbinden, sodass sie keine Parallelgesellschaft bilden. Dazu müssen wir ihnen Angebote machen und sie sprachlich in den Stand versetzen, dass sie auch für die Berufswelt gewappnet sind und Erfolg in dieser Gesellschaft haben können. Denn wenn sie sehen, dass sie Erfolg haben und Geld verdienen können, dann werden sie sich auch in der Gesellschaft wohlfühlen.

… und die Betriebe, die angesichts der demografischen Entwicklungen unter Fachkräftemangel leiden, werden dankbar sein …

Deswegen haben wir im Jobcenter Landkreis Peine extra das Eingliederungsmanagement eingerichtet. Zudem sind wir in Gesprächen mit dem Caritasverband, um so etwas wie Streetworker aufzulegen, die zu den Asylbewerbern gehen, um deren Bedürfnisse zu ermitteln. Im Anschluss müssen wir prüfen, mit welchen Maßnahmen wir ihnen entgegenkommen können.

Sehen Sie das als größte Herausforderung?

Ich denke, das ist eine der großen Herausforderungen. Die größte Herausforderung ist sicherlich, dass wir den demografischen Wandel unbeschadet überstehen und nach wie vor gute Fachkräfte für unser sehr kleinteiliges Wirtschaftsleben haben.

Was fällt Ihnen spontan zur Zukunft des Landkreises ein?

Ich finde, der Landkreis Peine ist ausgesprochen liebens- und lebenswert. Wir haben vor einigen Jahren das große Projekt Kulturentwicklung aufgelegt und einen Kulturentwicklungsplan aufgestellt. Dabei hat sich gezeigt, was es bei uns für eine enorme kulturelle Vielfalt gibt – vom Amateur- bis zum Profibereich. Das sind ungeheure Schätze, die aber nicht jeder auf den ersten Blick sieht. Wir sollten sie aber stolz vor uns hertragen und verstärkt in den Fokus rücken. Denn die Entscheidungen von Menschen für einen Wohn- und Lebensstandort hängen auch ganz entscheidend von solchen Faktoren ab. Daher sollten wir unsere Chancen unbedingt nutzen.