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Sicherheitswochen 2017

Von wegen alles im Blick

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FOTO: POXABAY

Manche Überwachungskamera lädt zum Ausspionieren ein – Grund ist der ungenügend gesicherte Datenversand

Sie verhindern keinen Einbruch, haben oftmals aber eine abschreckende Wirkung: Überwachungskameras am und im Haus springen an, sobald sich etwas bewegt, ein Großteil sogar schon, wenn ein Geräusch vernommen wird. Sie zeichnen auf, was sich rund um das Haus oder im Wohnzimmer und Co. abspielt. Per Alarm wird der Hauseigentümer über das Smartphone informiert. So weit, so vielversprechend.Wie zuverlässig Überwachungskameras tatsächlich arbeiten, hat die Stiftung Warentest geprüft – mit ernüchterndem Ergebnis. Denn: Keine der 16 getesteten Kameras schützt die Privatsphäre gut. Nur zwei haben sowohl bei dunklen als auch bei hellen Witterungsverhältnissen zufriedenstellende Bilder geliefert. Nur eine Kamera war einfach im Handling. Besonders hakt es allerdings beim Thema Datenschutz: Nur die Kamera des Herstellers D-Link für draußen sichert die Daten gut. Allerdings überträgt ihre App die Anmeldedaten unverschlüsselt.

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Tipp
Achten Sie beim Kamerakauf darauf, dass die aufgezeichneten Daten nicht nur ausschließlich auf einem USB-Speicher oder einer Speicherkarte gesichert werden. Da gerade im Innenbereich die Überwachungskameras häufig direkt mit entwendet werden, ist die Speicherung in einer Cloud sicherer. Nicht jede Kamera löst bei Geräuschen aus – wem dieses Feature wichtig ist, der sollte darauf achten, dass die Kamera nicht ausschließlich bei Bewegungen reagiert.

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Empfehlenswert: Die Nest Cam Outdoor überzeugte die Warentester in nahezu allen Bereichen.

Testsieger in sämtlichen Kategorien war die Nest Cam Outdoor, im Handel für etwa 170 Euro erhältlich, mit einer Einschränkung: Die Cloud zum Speichern der Aufnahmedaten ist nach einer Testphase von 30 Tagen kostenpflichtig. Positiv: Die Kamera schaltet sich ab, sobald sie das Smartphone mit der Steuerungs-App zu Hause ortet.

Ausgesprochen unsicher sind die Kameras Instar und Technaxx. Deren Anbieter geben triviale Anmeldedaten vor, etwa „admin“ als Nutzername und „instar“ oder „admin“ als Passwort. Wer aber auf Nummer sicher gehen will, vergibt individuelle Anmeldedaten. Techniklaien sollten dazu aufgefordert werden, wenn sie die Kamera einrichten. Das machten die Apps von Instar und Technaxx aber nicht, dafür gab es von den Warentestern die Note „mangelhaft“.

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Finger weg: Wegen des mangelhaften Datenschutzes fiel die Technaxx beim Test durch.

Besonders fatal: Fremde bekommen so Zugriff auf unsichere Überwachungskameras. So hatten auch die Tester im Testzeitraum Einblick in ein Schlafzimmer in Asien, zudem war die Überwachung einer Garagenauffahrt in Mannheim möglich. Statt abschreckend zu wirken, kommt dieser Zustand eher einer Einladung für potenzielle Einbrecher gleich.

Positiv: Einige Kameras speichern die Aufnahmen in einer Cloud auf Amazon- Servern. So sind die Aufnahmen auch noch verfügbar, wenn Einbrecher die Kamera ebenfalls gestohlen oder zerstört haben.

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Wie sehr neue Computerprogramme der Polizei helfen können, ist noch umstritten. FOTO: DPA

Hilft das alles etwas? Oder ist das eher Aktionismus, um erschütterten Bürgern Tatkraft zu suggerieren? Zumindest die Computerprogramme, die Innenminister und Polizeipräsidenten in den vergangenen Jahren öffentlichkeitswirksam präsentierten, machen die Welt offenbar nur unwesentlich sicherer.

Die erste, gerade veröffentlichte wissenschaftliche Studie über das Programm „Precobs“ deutet auf einen nur bescheidenen Nutzen bei der Verminderung der Fallzahlen hin. Dominik Gerstner vom Max-Planck-Institut für ausländisches und internationales Strafrecht in Freiburg hat den Einsatz der Software in Stuttgart und Karlsruhe über ein halbes Jahr lang untersucht. Das Ergebnis: geringe, statistisch kaum von Zufallsschwankungen zu unterscheidende Effekte in den jeweiligen Alarmgebieten.

Der seherische „Kommissar Laptop“, der den Ermittlern den Weg zum nächsten Verbrechen weist, bleibt bloße Fiktion. „‚Precobs‘ kann Polizeiarbeit in gewisser Weise effizienter machen, ist aber keine Wunderwaffe“, resümiert Gerstner. Auch Strafverschärfungen halten Wissenschaftler für wenig effektiv. „Mögliche Täter studieren nicht das Strafgesetzbuch, bevor sie sich für eine Tat entscheiden“, sagt Gina Wollinger vom Kriminologischen Forschungsinstitut Niedersachsen. Höhere Strafen schreckten also nicht ab. Ohnehin sei über die Täter bei Einbrüchen herzlich wenig bekannt. Die Aufklärungsquote liegt bei unter 20, die Verurteilungsquote sogar bei unter 3 Prozent. Die vor allem von Polizisten häufig geäußerte These, dass osteuropäische Banden für einen Großteil der Einbrüche verantwortlich seien, „wird durch die Daten nicht gedeckt“. Was hilft also wirklich gegen Einbrecher? Für effektiv hält Wollinger vor allem die hoch spezialisierten Ermittlergruppen, die das Vorgehen von Tätern eingehend analysieren, wie die Hamburger Soko „Castle“. Zudem liegt die Zahl gescheiterter Einbruchsversuche bei mittlerweile 40 Prozent – ein Zeichen, dass Immobilienbesitzer ihre Wohnungen besser sichern. Dennoch sieht Wollinger hier noch Möglichkeiten: „Einbruchsverordnungen, wie es sie etwa in den Niederlanden gibt, könnten Sicherheitsstandards auch für Mietwohnungen verbindlich machen.“

Die Täter, die bei Burkhard Homburg einbrachen, wurden nie gefasst. Der teure Schmuck, gesammelt und erworben als Altersvorsorge, ist verschwunden. Versichert war nichts. „Ich habe mich einfach darauf verlassen, dass wir in einem sicheren Land leben“, sagt er. „Das war natürlich dämlich.“ Er will erreichen, dass die Politik Einbrüche ernster nimmt als bislang – und hat sich eine Alarmanlage zugelegt. Damit, sagt der Rentner, fühle er sich wieder sicher. Mittlerweile fahren er und seine Frau auch wieder in Urlaub. „Aber beim Heimkommen, kurz vor dem Ziel, packt mich jedes Mal eine mächtige Unruhe.“

Wer sind die Täter?

Für viele Ermittler ist die Sache eindeutig: „Reisende Banden, vor allem aus Osteuropa“, lautet zumeist ihre Antwort auf die Frage, wer für die hohen Einbruchszahlen in Deutschland verantwortlich sei. Das lehre die „kriminalistische Erfahrung“, erklärt zum Beispiel André Schulz, Vorsitzender des Bundes Deutscher Kriminalbeamter. Dafür spricht auch, dass die Einbruchszahlen insbesondere seit der Öffnung des Schengenraums Richtung Osteuropa angestiegen sind.

Europol macht für rund die Hälfte aller Einbrüche in Deutschland reisende Banden verantwortlich. Statistisch belegen lassen sich diese Einschätzungen jedoch nicht. Laut einer Studie des Kriminologischen Forschungsinstituts Niedersachsen sind 57 Prozent aller verurteilten Einbrecher in Deutschland geboren. Die häufigsten ausländischen Staatsangehörigkeiten sind türkisch, serbisch, rumänisch und kroatisch. tof